Reisebericht Nr. 6: 22. bis 28. Oktober 2010
Das wird diesmal eine richtige Frauenreise. Silvia Bernhardsgrütter aus Grämigen, Irmgard Wild aus Nassen und ich – die ruhigen Minuten auf den 1850 km bis nach Odorheiu in Siebenbürgen können wir wohl an einer Hand abzählen. Wieder habe ich dasselbe Auto wie bei der letzten Reise, einen Ford Transit, der sich hervorragend für unsere riesige Menge an Waren eignet.
Das H-Team aus Ittigen stellt uns den Transporter wieder zu super Konditionen zur Verfügung. Danke, Herr Studer! Schon am Donnerstag-Abend übernehme ich das Auto. Hans-Peter Zürcher, der seit 20 Jahren seine Hilfswerke in Rumänien betreut, hat einige wenige Sachen an den Auto-Übergabeort gebracht. Ich werde diese bei Franziska Shimo in Miercurea-Ciuc abladen.
Vorerst aber haben wir bei unserem Präsidenten Hans Hofstetter abgemacht. Seine Garage beherbergt viele schöne Sachen, die von guten Geistern auch aus der Innerschweiz gespendet wurden. Zudem ist Vincent Blum ein paar Mal aus Versoix angereist und hat an die Kinder in der Ferne gedacht. Ruedi Eggimann, unser dritter Mann bei der letzten Mission, hilft mit, die Waren aus Bern zu komplettieren. Hans und Marie-Thé lassen es sich nicht nehmen, uns zu einem Umtrunk einzuladen und auf die bevorstehende Reise anzustossen.
Den Freitag nutze ich, unseren Siebenbürgen-Keller in Burgdorf vollständig zu räumen und den Transporter so zu beladen, dass auch die von meiner Schwester angekündigten 4 Kinderwagen noch Platz haben. Endlich kann ich die vielen schönen Sachen von unzähligen Spendern einpacken – es hat mich immer etwas betrübt, dass wir bei der letzten Fahrt nicht alles mitnehmen konnten. Wo ich doch weiss, dass sie an einem anderen Ort gebraucht werden. Noch am Sonntag zuvor war eine Spenderin der Lions Esprit Bern extra nach Burgdorf gefahren, um ihre wunderschönen Waren abzugeben.
Auf der Fahrt zum ersten Etappenort Nassen im Toggenburg, fahre ich noch bei meiner Schwester Annerös in Reichenburg vorbei. Die 4 Kinderwagen und noch weitere Artikel für kleine Kinder stehen da. Gut, dass ihr Mann Eric uns beim Beladen hilft. Irgendwie bringen wir alles hinein und die letzten Lücken brauchen wir noch für die Sachen von Anni und Franz in Wangen. Sie haben uns bereits beim letzten Mal unterstützt. Es bleiben diesmal paar Minuten mehr zum Schwatzen und für feinen Kaffee und Kuchen - es ist gemütlich in ihrer Küche, bis ich eben doch weiter muss. In Nassen packen wir die letzten Sachen von Zurbriggens aus Gossau und meiner lieben Freundin Ruth aus Ennetbühl. Es ist bereits Nacht, aber wir finden noch ein paar Löcher, die wir mit den letzten Waren stopfen können. Erstaunlich, dass wir alles ins Auto gebracht haben.
Am Samstag, 23. Oktober regnet es und es ist kalt, als Irmgard und ich um 4.45 Uhr das Haus verlassen, Silvia in Grämigen abholen und dann nach leichten Startschwierigkeiten losfahren. Wir werden an diesem Tag über 1000 km fahren. Über München, Salzburg, Wien, Budapest bis ganz hinunter in den Süden Ungarns. In Makò, kurz vor der rumänischen Grenze, möchten wir in «unserer» Pension übernachten. Leider ist sie wegen dem Fest der Ungarischen Republik ausgebucht. Wir finden aber in der Stadt eine herzige Bleibe. Das kalte und regnerische Wetter haben wir schon lange hinter uns gebracht. Je weiter wir an diesem Tag nach Osten gefahren sind, umso schöner und wärmer wurde es. Und so soll es auch weitergehen.
Die Grenzkontrolle nach Rumänien ist inzwischen zu einer reinen Routine geworden und die Fragen werden jedes Jahr weniger. Wir kaufen noch die Vignette, trinken unseren ersten Kaffee und tanken nochmals auf – im Landesinneren ist es nicht immer möglich, mit Euro zu bezahlen. Über Arad, Deva, Sebes, Sibiu, Medias, Sighisoara fahren wir an diesem Tag bis nach Ocland. In unserer Pension, die wir seit unserer ersten Reise immer berücksichtigen, fühlen wir uns bei Gjöngi und ihrer Familie inzwischen wie zuhause. Vor dem Nachtessen besichtigen wir noch das Dorf, wo gerade die Kühe der Dorfbewohner vom Hirten zurückgetrieben und die Kühe von ihren Besitzern erwartet werden. Die Tore zu den Innenhöfen gehen auf, und die Kühe trotten einzeln oder auch mal zu zweit oder dritt in ihren Innenhof. Kaum ist diese Herde durch, kommt der Schafhirte und die Prozedur geht von vorne los.
Ein paar neue Häuser hat es in diesem kleinen Dorf gegeben, aber im Grossen und Ganzen hat sich nicht viel verändert. Ausser, dass die Hauptstrasse durchs Dorf nun endlich geteert ist. Was für ein Unterschied zum Dreck und den Löchern vergangener Jahre.
Am Montag fahren wir dann erstmals zu Zsuzsa. Sie meldet sich noch vor unserer Wegfahrt per Handy und sagt, dass wir nicht ins Heim fahren sollen, sondern zu ihr nach Hause. Bei ihr angekommen dann die grosse Überraschung. Das Kinderheim wird renoviert und die Kinder sind im Therapiezentrum untergebracht. Und die Waren, die wir dabei haben, können wir bei Zsuzsas Eltern ausladen. Sie werden innert zwei Tagen vollständig aussortiert und sauber dokumentiert. Wir besuchen gleich anschliessend das Heim, das vollständig umgebaut wird. Zusätzliche Badezimmer und eine richtige Küche sowie neue Fenster wird es geben. Das ganze Haus ist ausgeräumt und ausser dem Boden und dem Grundriss bleibt nichts so, wie es war. Der Preis für diesen Totalumbau ist bescheiden, ganze € 25'000.- wird es kosten. Die Kosten kann Zsuzsa über die nächsten Jahre abbezahlen. Sicher wird es aber bereits im ersten Winter deutliche Einsparungen geben, wenn endlich dichte Fenster dafür sorgen, dass nicht mehr so viel geheizt werden muss – die Heizkosten sind in Rumänien vergleichsweise hoch.
Nachher besuchen wir die Kinder, die sich im Übergangsheim sehr wohlzufühlen scheinen. Der kleine Kristof verschläft unsere Ankunft, aber die älteren Kinder und Jugendlichen sind da. Sie sind wohlauf. Die Therapeutinnen und Betreuer haben aber alle Hände mit ihnen zu tun. Der Platz ist in den 3 Zimmern doch sehr beschränkt, aber sie sind sich nichts anderes gewohnt. Zumindest haben sie in diesem Haus einen Garten, den sie vor allem in der warmen Jahreszeit nutzen können. Jetzt, da sie sogar eine funktionierende Küche haben, kann Tünde, eine der Heimbewohnerinnen, beim Zubereiten des Essens helfen. Die Arbeiten, die sie vor allem für Weihnachten machen, und die sie auch verkaufen können, haben bereits gestartet. Dieses Jahr gibt’s neben vielen kleinen Geschenkideen und Christbaumschmuck auch selber produzierte Papiertaschen, die individuell angefertigt werden. Die Jugendlichen sind bei diesen Arbeiten immer mit einer grossen Ernsthaftigkeit und Eifer am Werk.
Am Nachmittag fahren wir noch zu Franziska nach Miercurea Ciuc, um ihre Waren abzuladen. Am Dienstag wollen nach Bran, auf Draculas Schloss. Dieses Städtchen etwas südwestlich von Brasov, ist vor allem bei den westlichen Touristen und den Japanern beliebt. Die Rumänen kennen den Dracula Film nicht und wundern sich wohl etwas über die Besucher, die ihren Ort bevölkern, das Schloss besichtigen und sich mit Souvenirs eindecken. Die Rückreise über Catta/Katzendorf, den Weg, den wir auf unserer letzten Reise entdeckt hatten, ist wunderschön. Wir treffen auf eine Kirchenburg und geniessen den Indian Summer in Siebenbürgen. Die Laubwälder sind wunderschön und die Temperaturen ein Traum. Ausser beim Schlossbesuch und an den Abenden, sind wir immer im T-Shirt unterwegs, währenddem in der Schweiz die Temperaturen empfindlich tief sind.
Zsuzsa geht an diesem Nachmittag mit uns aus. Ihr Vater fährt sie zu einem neuen Hotel, in dem sie sich mit ihrem automatischen Rollstuhl selbständig bewegen kann. Wir essen also um 16 Uhr erst zu Mittag, aber das ist in Rumänien nicht aussergewöhnlich. Man kriegt hier jederzeit Mittagessen, sei es 10 Uhr am Morgen oder 17 Uhr am Nachmittag. Zsuzsa erzählt uns von ihren eigenen Fortschritten und wie sie mit täglichem Training inzwischen ihren Muskelschwund in den Griff zu bekommen scheint. Sie hat auf das Wander Protein, auf das sie schwört, gewartet. Leider ist es in Rumänien nicht erhältlich. Alles in allem können wir sagen, dass Zsuzsas Gesundheit deutlich besser geworden ist. Sie hat tatsächlich sogar wenige hundert Gramm zugenommen seit unserem letzten Besuch und kann 2,5kg Gewicht stemmen.
Am Mittwochmorgen fahren wir kurz nach halb acht zurück Richtung Heimat. Es regnet heute und die Temperaturen sind gefallen. Auf der ersten Anhöhe werden aus den Regentropfen Schneeflocken. Die schneebedeckten Tannen um Sovata verlassen wir aber bald und diesmal ist es umgekehrt: je westlicher, je schöner. Via Targu Mures, Turda, Cluj Napoca und die Grenzstadt Oradea kommen wir zügig vorwärts. Kaum verlassen wir Rumänien, verschwinden die Karpaten, die uns immer «begleitet» haben und die endlosen Weiten Ungarns liegen vor uns. Kurz vor dem Einnachten sind wir in Budapest, diesmal umfahren wir die Stadt und ziehen weiter gegen Westen. Noch sind wir nicht müde und essen kurz vor Wien Znacht. Den Kaffee in Linz lassen wir aus, solange wir so locker fahren mögen… Diesen haben wir aber nach München definitiv nötig, damit wir wach bleiben. Wer hätte das gedacht: Am Donnerstagmorgen um 5 treffen wir in Grämigen ein und verabschieden uns von Silvia, Irmgard und ich sind 10 Minuten später auch wohlbehalten in Nassen.
Unsere Reise ist wiederum problemlos verlaufen und wir alle haben unsere eigenen Eindrücke gesammelt. Alle Reisekosten haben wir durch 3 geteilt. Einzig ein Teil der Miete des Kleinbusses für den Warentransport fällt für unseren Verein an.
Wir danken allen, die uns wiederum schöne und nützliche Waren fürs Heim zur Verfügung gestellt haben. Ebenso danken wir unseren treuen Spenderinnen und Spendern, die es ermöglichen, unseren Kindern ein Daheim in Geborgenheit zu ermöglichen. Nächstes Jahr fahren wir wieder nach Siebenbürgen. Wir freuen uns über jeden kleinen Beitrag. Danke!
Burgdorf, im November 2010
Judith Krauer