Reisebericht Hilfstransport 2024
Zeitenwende bei Rettet Kinder; der letzte grosse Hilfstransport und Umzug ins neue Zuhause für unsere Kinder
Der diesjährige Hilfstransport ging verhältnismässig spät über die Bühne. Normalerweise waren wir um den Frühlingsanfang unterwegs nach Rumänien. Wir wollten unseren Transport nutzen, um das neue Zuhause unserer Kinder auf dem Land endlich fertig besichtigen zu können.
Wie unseren regelmässigen Lesern und Spendern aber auch bekannt war, hat sich dieser Umzug immer wieder verzögert. Im Mai erhielten wir dann aber plötzlich den Bescheid, dass der Zügeltermin auf den 3. Juni geplant ist. So kurzfristig war es nicht möglich, dass der ganze Vorstand zusammen reist - wir sind ja alle beruflich auch gut beschäftigt.
Da der Keller, in dem wir die Hilfsgüter eingelagert haben, aber diesen Sommer saniert werden soll, sahen wir die Notwendigkeit, trotzdem zu reisen. Judith entschloss sich darum, diese Reise kurzfristig alleine anzutreten.
Am 29. Mai hiess es dann erst einmal, alle Hilfsgüter aus dem Keller zu schleppen und nach Gewicht und Verpackung zu sortieren, damit das Laden des Transportfahrzeugs am Nachmittag dann schneller vonstatten und systematisch erfolgen konnte. Trotzdem dauerte es dann am Nachmittag fast 3 Stunden, bis alle Hilfsgüter im Auto verstaut waren. Es brauchte einiges an Aufwand, um diesmal auch wirklich alle Hilfsgüter einpacken zu können. Gut, dass die Beifahrerplätze leer blieben - so konnte auch dort noch einiges untergebracht werden.
Reise
Kurz nach 17.00 Uhr ging die Reise in Burgdorf los. Natürlich nicht der ideale Zeitpunkt, um über Zürich an die österreichische Grenze zu fahren. Zudem regnete es an diesem Abend vor Fronleichnam ziemlich stark und vermutlich war auch schon der eine oder andere aus den katholischen Kantonen unterwegs zu einem langen Wochenende. Trotz einiger Verzögerungen in der Schweiz gings dann nach der Grenze zügig Richtung München - Salzburg. An der deutsch-österreichischen Grenze, kurz vor Salzburg, war dann der Moment gekommen, eine längere Pause zum Übernachten einzulegen.
Nach knapp 5 Stunden Schlaf gings dann am 30. Mai frisch weiter über Wien-Budapest-Keksemet-Mako zur ungarisch-rumänischen Grenze. Schon in Ungarn hatte sich abgezeichnet, dass es allenfalls länger an der Grenze dauern könnte. Und so war es auch. Der Verkehr staute sich schon einen halben Kilometer vor der Grenze und es ging nur sehr zäh vorwärts. Wenn ich gewusst hätte, dass noch ein viel schlimmerer Stau auf mich warten würde, wäre ich nicht so entspannt geblieben. Immerhin war aber das Wetter auf meiner Seite. Seit der Abfahrt am Morgen herrschte eitel Sonnenschein und den sehr sommerlichen Temperaturen vermochte die "Klimaanlage" im Auto nichts entgegenzusetzen. Ohne die gut 3 Stunden, die ich an diesem Tag im Stau verbracht hatte, wäre ich locker noch bei Tageslicht bei meiner Pension angekommen. So war ich aber dankbar, gegen 23.30 Uhr vor meiner Unterkunft zu parkieren - und der Schlüssel steckte wie abgemacht an der vereinbarten Zimmertüre und ich kam ohne jemanden wecken zu müssen, in mein Zimmer.
Betfalva und Odorheiu
Am 31. Mai war es dann so weit. Ich hatte mit Agnes auf 11.00 Uhr abgemacht. So hatte ich Zeit, am Morgen noch einige Briefe an unsere Spenderinnen und Spender zu schreiben, den Rest würde ich dann am Abend nach der Rückkehr ins Zimmer erledigen.
Im neuen Zuhause unserer Kinder, in Betfalva, wurde ich bereits von unserer Heimleiterin Agnes, ihren Eltern Kathi und Andràs, erwartet. Ebenso hatte sie mit Laura eine Übersetzerin für ungarisch-deutsch organisiert. Die Konversation in englischer Sprache geht recht gut, aber für komplexe Fragestellungen hat sich herausgestellt, dass diese Hilfe vieles erleichtert.
Wir besichtigten die fast fertigen Räume für unsere Kinder - und da war auch schon klar, dass vor dem definitiven Einzug der Sanitärinstallateur und Elektriker noch zwei bis drei Tage Arbeit haben, um diese bezugsbereit zu machen. Der Umzug war also vom 3. Juni mindestens eine Woche nach hinten geschoben worden. Auch die Küche ist nicht bereit. Diese wird vorderhand in einem Container betrieben und soll dann auf den Herbst nutzbar sein. Dasselbe gilt für Waschküche und Heizraum. Was den Heizraum angeht, so wird im Ort gerade der Gasanschluss an alle Häuser gebaut. Ob der aber noch vor dem Winter da sein wird, ist in Rumänien mehr als ungewiss. Der Entscheid, ob sie auf diesen Anschluss warten soll oder jetzt besser auf eine Holzheizung setzt, fällt Agnes nicht leicht. Ihr bleibt nicht viel Zeit dafür und dazu fehlt ihr aktuell noch das Geld. Das Investment wird irgendwo zwischen 5-6'000.- Franken sein. In der Schweiz kein grosser Betrag, aber für sie eine grosse Last. Wir bleiben dran, und werden bei Gelegenheit prüfen, ob und in welchem Rahmen wir sie unterstützen können. Sicher ist, unsere Kinder und Betreuer sollen im Winter nicht frieren müssen.
Das riesige Grundstück ist auch ohne Kinder bereits voller Leben. Hühner, Laufenten, Hunde und Therapiepferde haben das neue Zuhause bereits in Beschlag genommen. Es wird den Kindern gut tun, wenn sie sich hier frei bewegen können und den Sommer unter den Obstbäumen geniessen dürfen. Sie waren alle schon mehrmals hier - trotzdem wird der Umzug nicht für alle Kinder gleich einfach werden. Viele von ihnen scheuen Veränderungen und unser blinder Lacika wird sich erst neu auch in den Räumen orientieren müssen.
Die Kinder besuchen wir gemeinsam in ihrem Noch-Zuhause in Odorheiu. Hier haben viele von ihnen schon mehr als 20 Jahre gewohnt. Sie haben für uns gebastelt und überreichen stolz ihre Geschenke, die ich in die Schweiz zurückbringen soll. Eine neue Bewohnerin ist dazu gekommen. Eine behinderte Frau, sie ist schon älter als 40, aber die Eltern können nicht mehr für sie sorgen und die Behörden nehmen sie nicht auf, da diese voll sind mit anderen "Fällen". Agnes konnte sie nicht abweisen und sie gewöhnt sich nun langsam an die neue Gemeinschaft, in die sie hineinwachsen wird. Ihrem Grundsatz, keine Kinder mehr aufzunehmen, konnte Agnes in diesem Fall nicht treu bleiben. Und da gäbe es sicher noch ganz viele Menschen, die ihre Hilfe bräuchten, auch Jahre nach den schrecklichen Bildern, die wir immer noch unter "rumänischen Kinderhäusern" gespeichert haben.
Geplant ist nun, den Einzug bis Mitte Juni über die Bühne zu bringen. Wir sind gespannt, wie es unseren Kindern ergeht und wie schnell sie sich am neuen Ort einleben.
Am Samstag-Morgen fahre ich mit vielen neuen Eindrücken und nach langen Gesprächen zurück in die Schweiz. An der Schengen-Aussengrenze zu Ungarn warte ich 2 Stunden im Stau und werde dann auch genau kontrolliert. Ebenso sind die Grenzübergänge zu Österreich und Deutschland nicht mehr so offen wie früher. Die Grenzposten sind wieder besetzt und es bilden sich zuweilen auch hier längere Schlangen.
An der ungarisch-österreichischen Grenze ist es dann schlagartig vorbei mit dem guten und heissen Sommerwetter. Die Schlechtwetterfront entleert sich exakt unter dem Grenzbaum das erste Mal und wird mich bis in die Schweiz verfolgen. Die verheerenden Überschwemmungen in Baden-Württemberg, die volle Isar und Lech passiere ich noch, bevor es zu ersten Problemen und Sperrungen kommt. Am Sonntag-Mittag treffe ich nach einer wunderbaren Reise wieder in Burgdorf ein.
Wie im Einleitungstext vermerkt, verzichten wir vorderhand auf weitere Hilfstransporte. Wir werden diesen Entscheid regelmässig mit unserer Heimleiterin prüfen. Sollten wir wieder mit Sammeln starten, werden wir das rechtzeitig bekanntgeben. Natürlich auch mit dem Hinweis, was wir benötigen. Nun wollen wir erst einmal sicherstellen, dass der Betrieb unseres Kinderhauses tadellos läuft und allenfalls das Angebot einer Tagesschule und Therapiemöglichkeiten auch in Betfalva vorhanden sind.
Es gibt noch viel zu tun für unsere Heimleiterin, ihre Eltern, die tatkräftig mitarbeiten und ihr tolles Personal, das teilweise schon Jahrzehnte dafür sorgt, dass unsere Kinder ein würdiges Leben führen dürfen.
Ein herzliches Danke an unsere Spenderinnen und Spender, von denen uns einige auch schon seit Jahrzehnten unterstützen - und an dieser Stelle natürlich auch der Hinweis, dass wir die Reise (Benzin, Übernachtungen, alle Auslagen unterwegs) wie üblich aus unseren privaten Mitteln bezahlen und kein Spendengeld dafür verwenden.