Hilfstransport 2022; 30. September bis 5. Oktober

Judith Krauer und Pascal Hofstetter

Nachdem wir anfangs März dieses Jahres einen Leertransport aus Deutschland mit Hilfsgütern für Rumänien beladen hatten, zeichnete sich schon anfangs Sommer ab, dass eine weitere Lieferung vor dem Winter nötig wurde, weil sich zu viele Spenden angesammelt hatten. Zudem wollte uns Agnes unbedingt zeigen, wie weit sie mit dem Umbau der Gebäude gekommen war. Sie hatte im Sommer noch Pläne, auf Oktober in die neuen Gebäude zu zügeln. Da lag ein Besuch im Herbst auf der Hand, immerhin waren wir das letzte Mal im Juli 2021 vor Ort.

Nach der Übernahme des Transporters gings erst einmal in die March, wo in Wangen und Galgenen grössere Mengen an Gütern auf die Abholung warteten, bevor in Burgdorf noch so viel wir möglich in den Bus geladen wurde. In Zürich stieg dann Pascal zu und übernahm für die kommenden Stunden das Steuer.

Trotz Freitag-Feierabendverkehr kamen wir ganz flott vorwärts, in Diepoldsau über die Grenze und mit gefühlt der halben Schweiz, die an diesem Abend ans Oktoberfest fuhr, Richtung München. Den Übernachtungsort wählten wir relativ pragmatisch gleich an der Autobahn, in Wals am Übergang von Deutschland noch Österreich. Um sechs Uhr morgens gings weiter via Linz, Wien, Budapest, Szeged, Arad, Sighisoara in unsere Pension in Lupeni, wo wir um gut 19.00 Uhr ankamen. Reine Fahrzeit ohne Pausen ca. 17 Stunden.

Betfalva

Agnes hatte uns gebeten, die Hilfsgüter gleich mit nach Betfalva zu nehmen. In Betfalva, einem kleinen Dorf westlich von Odorheiu entsteht das neue Zuhause für unsere Kinder. Judith war vergangenes Jahr bereits hier und hatte die alten, baufälligen Gebäude und das grosse Grundstück schon gesehen.

Agnes, Orsi ihre Mitarbeiterin und Réka, die sich wieder anerboten hatte, während unserer Anwesenheit gratis zu übersetzen, warteten bereits auf uns. Wir überreichten symbolisch Brot und Salz als Gastgeschenk für die neuen Hausbesitzer. Die Stube, gewärmt von einem angenehmen Feuer aus dem Holzofen sowie das Bad dazu sind mehrheitlich fertig und bewohnbar. Hier wurden wir erst mIt Kaffee und Süssigkeiten verwöhnt, gegen Mittag stiessen auch Ekaterina (Kathi) und Andràs, die Eltern von Agnes, dazu. Sie hatten wieder Berge von Essen dabei – wie immer könnten wir davon locker eine Woche leben.

Mit all den Fragen, die wir hatten, einem Rundgang durch die neuen Gebäude und das ganze Grundstück, dem Entladen des Buses wurde es 17.30 Uhr. Wie die Zeit verfliegt, wenn man in angenehmer Gesellschaft ist und es viel zu erzählen gibt.

Hauptgesprächsthema war der Umbau, die Verzögerungen wegen teurer werdenden Baumaterialen, Lieferverzögerungen und auch die Unzuverlässigkeit des Bauführers. Für die noch verbleibenden Arbeiten soll eine neue Bauleitung gefunden werden, die Ausschreibungen dazu laufen. Der Rohbau steht, Stallungen für die Tiere sind gebaut und in Betrieb, nun geht es um die Details und den Innenausbau der Gebäude für die Kinder und Angestellten. Der geplante Einzug auf Ende Oktober ist ist nicht möglich, realistischer scheint Januar 2023, allenfalls auch Weihnachten 2022. Je schneller das Mietshaus in der Stadt verlassen werden kann, umso kleiner sind die Kosten. Im Winter belasten Strom und Heizung das Budget eh, dieses Jahr wird es noch viel schlimmer sein.

Glücklicherweise ist ein Auszug aus der Wohnung praktisch ohne Kündigungsfrist möglich, da der Vermieter von einem privaten Mieter mehr Geld verlangen kann. Da Agnes vorsorglich vor einem Jahr bereits das Therapiezentrum gekündigt hat und dafür drei zusätzliche Räume im oberen Stock des Kinderhauses für die Therapien nutzt, ist sie sehr flexibel mit dem Auszug. Mit der Zeit sollen alle Angebote, also Kinderheim, Tagesschule und Therapiezentrum nach Betfalva gezügelt werden. Die Tagesschule bleibt bis 15. Juni 2023 in Odorheiu, damit sie das Schuljahr dort abschliessen kann.

Wir werden versuchen, das noch benötigte Geld für die Fertigstellung der wichtigsten Räume, damit die Kinder einziehen können, zu beschaffen. Sobald diese (schnell steigenden) Kosten in der Stadt wegfallen, bleibt mehr Budget für die noch verbleibenden Aufwände und den Restausbau der eigenen Gebäude. Wenn wir zudem an den Gewinn an Lebensqualität für die Kinder denken, haben wir keine andere Wahl, als ihnen den Umzug schnell zu ermöglichen. Bereits heute stellen alle Betreuer fest, wie gut den Kindern das Landleben tut. Sich frei auf einer Wiese bewegen, sich um die Tiere sorgen, einen Garten anlegen, Obst ernten. Die Kinder bewegen sich schon sicherer und geniessen eine neue Unbeschwertheit. Das ist es, was sich unser Vorstand, insbesondere Vinz und Hans immer gewünscht hatten und wofür sie sich all die Jahre eingesetzt haben. Dass es in Kürze soweit ist, ist auch der Verdienst unserer treuen Spender. Ohne all die Unterstützung, die wir seit mehr als 21 Jahren erhalten, wäre das nicht möglich geworden.

 

Odorheiu

Am Montag treffen wir uns zuerst mit Réka, unserer Übersetzerin, zum Kaffee in der Stadt. Agnes hat schon ein Meeting am Morgen früh mit einem anderen Bauunternehmer. Beim Eintreffen im Kinderhaus begrüsst uns schon vorne an der Tür Kinga. Ein Wirbelwind, vor dem alle Esswaren und Getränke versteckt werden müssen. Eine junge, schlanke Frau, nicht grösser als ein achtjähriges Kind, die den ganzen Tag alles isst, was ihr in die Finger kommt. Die anderen ständigen Bewohner treffen wir bei verschiedensten Tätigkeiten mit ihren Betreuern an. Malen, Singen, Schlafen oder an Geräten die Muskeln trainieren.

Im Untergeschoss sind zwei Pädagogen am Lernen mit den Tagesschülern, die wegen unterschiedlicher Defizite nicht in die staatliche Schule gehen können. Heute sind nur 4 der aktuell 7 Schüler da. Es ist bereits wieder Grippesaison.

Im obersten Stock sind neu drei Therapieräume eingerichtet. Sie sind als Ersatz für das Therapiezentrum da, das Agnes vorsorglich schon letztes Jahr gekündigt hat. Ein weiser Entscheid, die Energiekosten würden heute ihr ganzes Budget auffressen.

Hier werden zum Zeitpunkt unseres Besuches gerade fünf Kinder mit ganz unterschiedlichen Defiziten von drei Therapeuten behandelt. Wie immer ist das ganze Haus tadellos sauber und die Kinder gut betreut. Ihre wichtigsten Bezugspersonen arbeiten teilweise schon zwanzig Jahre hier. Man merkt es: Hier ist nicht nur pädagogische und therapeutische Betreuung wichtig, sondern der persönliche, vertrauensvolle Zugang zu den Kindern und ihren speziellen Bedürfnissen.

Am späteren Nachmittag verabschieden wir uns nach zwei intensiven Tagen von unseren Kindern, von den Betreuern und speziell Agnes, Andràs und Kathi. In der Gewissheit, dass wir das Kinderhaus, die Tagesschule und das Therapiezentrum für Kinder in Not in guten Händen wissen. Wir werden sie aus der Schweiz soweit möglich unterstützen, damit sie den noch kurzen, aber etwas steinigen Weg bis zum Einzug in ihr neues Heim schnell bewältigen können.

Am Dienstag-Morgen fahren wir um 5.00 Uhr los, passieren die Grenze zu Ungarn fünf Stunden später problemlos, und fahren an diesem Tag viel weiter als je gedacht. Bis Mitternacht sind wir wieder zuhause – trotz einer dreistündigen Verzögerung in Deutschland wegen eines Unfalles auf der Autobahn in der Nähe von Passau.

Diese wie alle Reisen nach Rumänien bezahlen wir immer privat. Es wird kein Spendengeld dafür verwendet.

Wenn Sie unser Projekt unterstützen möchten, so freuen wir uns über jede noch so kleine Spende: Rettet Kinder, Bern. Postkonto 30-374024-1, www.rettetkinder.ch  

Compte de donation Rettet Kinder
3000 Berne 30-374024-1